„Im Qualitätsmanagement können Frauen die Zügel in die Hand nehmen“
Ist das Qualitätsmanagement ein attraktives Berufsfeld für weibliche Pflegekräfte mit Karriereambitionen? Ein Umfrageergebnis des Frauennetzwerks „TOP-Management Pflege“ legt dies zumindest nahe. Tatsächlich können Frauen im QM viel bewegen. Doch es gibt auch ein paar Aspekte zu berücksichtigen.
Frauen sind – gemessen an ihrer Präsenz in Pflegebranche insgesamt – seltener in Pflegemanagementpositionen zu finden als Männer. In einem Berufsfeld aber, so scheint es, können sie dennoch ein höheres Maß an Verantwortung übernehmen: im Qualitätsmanagement nämlich. Darauf lässt eine Beobachtung des Frauennetzwerks TOP Management Pflege schließen.
In einer Umfrage hatte die 2020 gegründete Community unter anderem danach gefragt, wo in den Unternehmen sich Frauen in verantwortlichen Positionen befinden. Zur Auswahl standen die gängigen Leitungsstellen in Krankenhäusern und Heimen wie etwa die Pflegedirektion (gaben 37 Prozent der Befragten an), Stationsleitung (47 Prozent) oder auch die Geschäftsführung (37 Prozent); ein freies Kommentarfeld ließ Platz für weitere Eintragungen. Bemerkenswert: Hier wurde das Qualitätsmanagement gleich mehrfach genannt.
Hier können Frauen etwas bewegen
Ist das Qualitätsmanagement also ein guter Berufsweg für Frauen, die in der Pflege Karriere machen wollen? Es ist zumindest ein interessantes Feld für Frauen, die etwas bewegen wollen, sagt Petra Blumenberg, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Deutschen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) an der Hochschule Osnabrück, auf Anfrage. Auch sie beobachtet, dass sich deutlich mehr Frauen in der Pflegebranche mit dem Qualitätsmanagement ihrer Einrichtung befassen als Männer. „Aber das ist auch nicht weiter verwunderlich, da sich das Qualitätsmanagement ja aus der Pflege heraus kristallisiert und nun einmal Frauen das Gros der Pflegebeschäftigten überhaupt stellen“, so die Diplom-Pflegewirtin.
Typisch weibliche Attribute?
Führungskräfte sollten für einen guten Kommunikationsfluss innerhalb des Teams sorgen.Pflegedienstleistungen oder auch Träger einer Pflegeeinrichtung sind gefordert, einen möglichst reibungslosen und regelmäßigen Austausch zu gewährleisten und konkrete Hilfe auch für psychosoziale Probleme der MitarbeiterInnen anzubieten. Das ist wie das Wasser und der Tintentropfen. Die Führungskraft lässt den Tropfen in das Wasser hinein und sorgt im Zuge einer partizipativen Zusammenarbeit dafür, dass der Tropfen das Wasser überall blau färbt und die Tinte nicht nur an der Oberfläche bleibt.
Eine enorme Herausforderung…
Belastbare Zahlen darüber, wie viele der Qualitätsmanagement-Beauftragten in der Pflege weiblich oder männlich sind und ob sie über eine Weiterbildung oder ein Studium in ihren Posten kommen, liegen weder ihr noch dem Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) vor, der für diesen Artikel ebenfalls befragt wurde. Trotzdem: Könnte es sein, dass das QM Frauen besonders anspricht? Sie sich hier besonders entfalten können, Kompetenzen einbringen können, die ihnen gemeinhin gern zugeschrieben werden?
Immerhin gelten Qualitätsmanager als Kümmerer in Unternehmen, als Vermittler zwischen den Instanzen. Sie müssten etwa viel „mit anderen Abteilungen zusammenarbeiten, um das QM-System zu etablieren, zu pflegen und weiterzuentwickeln“, wie Susanne Völker sagt, eine Trainerin, die für Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Qualität spezielle Kommunikationsschulungen durchführt.
Sicher, bestätigt auch DNQP-Wissenschaftlerin Petra Blumenberg, „im QM muss man unterschiedliche Parteien an einen Tisch holen, schauen, wie man gemeinsam etwas erreichen kann – und das gelingt Frauen erfahrungsgemäß besonders gut“. Doch nun allzu sehr auf die angeblich typisch weiblichen Soft Skills abzuzielen, davon rät Blumenberg dann doch ab: Im Qualitätsmanagement hätten Verantwortliche auch viel mit Auswertungen und Zahlen zu tun – „Tätigkeiten also, die man gemeinhin nicht den Frauen zuschreibt“, nein, ein Denken in Stereotypen führe hier also nicht weiter.
QM-Weiterbildungen: guter erster Schritt auf der Karriereleiter
Dem stimmt auch die Pflegeberaterin Sonja Fröse zu. „Ob das Qualitätsmanagement eher weibliche Attribute anspricht, ist sekundär“, sagt die gelernte Krankenschwester, die selbst als Pflegedienstleiterin und Qualitätsbeauftragte gearbeitet hat. Sie vermutet vielmehr, dass das Qualitätsmanagement deshalb ein begehrtes Berufsfeld sei, da es ein „guter, erster und vergleichsweise einfacher“ Weg sei, „die Karriereleiter zu erklimmen“.
Noch dazu einer, der oft von oberer Stelle gefördert werde: „Mitarbeiter, die als fleißig und zuverlässig gelten und gute Arbeit leisten, werden von Arbeitgebern vielfach unterstützt“, so Fröses Beobachtung. Pflegehelfern würde etwa das Examen angeboten – und bereits examiniertem Personal spezielle Weiterbildungen. Darüber könnten Arbeitgeber nicht nur ihre Wertschätzung für die Mitarbeiter zeigen, sondern sie auch längerfristig an sich binden. Das Qualitätsmanagement bietet sich hier an.
Reine Stabsstellen, die vom Patienten wegführen
Fröse vermutet, dass auch die Arbeitsbedingungen eine Rolle spielen. So seien etwa die Arbeitszeiten im QM häufig besser mit der persönlichen Situation zu vereinbaren als etwa ein Job als Pflegedienst- oder Heimleiterin. Mit dieser Erwartung wäre Petra Blumenberg vom DNQP hingegen vorsichtig: Sie wisse durch ihre wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Berufsfeld von einigen Qualitätsbeauftragten, die durchaus auch mal ad hoc am Wochenende oder abends zur Stelle sein müssten, wenn im Heim oder Krankenhaus etwas schief laufe.
Darüber hinaus dämpft sie größere Karriereerwartungen: „Qualitätsmanagementstellen sind ja oftmals Stabsstellen, die zum Beispiel an die Pflegedirektion angedockt sind“, was bedeutet: keine leitende Position, keine Weisungsbefugnis. Das müsse man im Blick haben, wenn man das Qualitätsmanagement anstrebt.
Darauf weist auch der DBfK hin – und bringt einen weiteren Aspekt ein: Gerade da es sich bei Posten im Qualitätsmanagement meist um Stabsstellen handele, so Verbandsreferentin Anja Kathrin Hild, seien die hier Arbeitenden auch nicht mehr mit der direkten Versorgung der Pflegebedürftigen betraut. „Für einige mag das attraktiv sein“, so Hild, „viele möchten aber gerade eine Karriere ‘am Menschen’ machen.“ Davon aber führe das Qualitätsmanagement weg. Rolle stärken.
Im Qualitätsmanagement liegt Zukunft
Spannend würde das Feld in Zukunft aber allemal, sagt Petra Blumenberg. „Wir bezeichnen Qualitätsmanager auch als ‘Facilitator’, also als Menschen, die in ihren Häusern etwas bewegen und dafür ihr Wissen als Pflegeexperten einsetzen wollen und können.“ Das würde gerade im Kliniksektor immer mehr gebraucht und geschätzt, und zwar nach und nach über alle Bettengrößenklassen und Trägerschaften hinweg: „Die ersten, die ein umfassendes QM einführten, waren die Unikliniken, die Häuser mittlerer Größe zogen nach – und bald wird sich QM auch in kleinen Häusern weiter durchsetzen“, so ihre Prognose.
Sie ist überzeugt: Frauen, die „gut organisieren können, die gern die Zügel in die Hand nehmen und Strukturen verändern wollen“ – die seien im Pflege-Qualitätsmanagement gerade jetzt und in Zukunft „genau richtig“.
Autorin: Romy König